Cyprian Norwid, Künstler des Exils, wurde posthum als Jahrhundertdichter und Bahnbrecher der polnischen Moderne erkannt. Trotz kränklicher Konstitution und materieller Misere ertrotzt er ein herausragendes Œuvre. Seine eigenwillige Poesie mit aggressiven Archaismen, kühnen Innova- tionen sowie weiten kulturhistorischen und religiösen Horizonten erschließt sich nicht immer unmittelbar. Sie wahrt Distanz zu Romantik, Realismus sowie l’art pour l’art und be- zeugt trotz Ironie eine hohe moralische Verantwortung. Norwids Gedichte sind mit ihren Sperrungen zugleich typografische Architektur, führen mit Neologismen sowie ›unpassen- den‹ Bedeutungen zur Wortarbeit und sind durch die markante Interpunktion auch Partitur für die Rezitation.

Auswahl: Rolf Fieguth