Beethovenstraße 2a

Zwei körper lang die zelle. Breit: drei schritte,
wenn einer kurz tritt. - In des hohlraums mitte
auf einem vielbesessnen schemel hockt
die nummer krumm, verängstigt und verstockt.

Die wandfarb’, pah!, erfand ein grünkohl-Kacker!
Der holzwurm mulmt sich durch das brett-bett wacker.
Glasziegel vor der luke. Und wenn’s wintert,
dann ist der heizer leider dienst-verhindert.

»Aufwärm dich beim verhör!«: Im zahnputzbecher
des morgens ein zylinder eis. »Kein wort
wirst du dir hier notiern, du schreib-verbrecher!«
Und neben dem spion stinkt der abort.

O umsicht!: freßnapf und besteck aus plast!,
daß auch nicht aus dem leben flieht der gast …

 

Andreas Reimann trat zwar schon als 11jähriges »Wunderkind« mit Versen in Erscheinung; der später der DDR unbequeme Dichter durfte aber nur punktuell publizieren – und auch kein Poesiealbum; so wurde er zum Geheimtipp, zu einem der unbekanntesten, aber bedeutendsten Lyriker der ›sächsischen Schule‹. —
Aus diesen Erfahrungen, seinen Schlängelbewegungen durch die Sperrverhaue der DDR-Kulturpolitik, gelangen ihm Gedichte, die zum Stärksten gehören, was die DDR- und Nach-DDR-Literatur hervorgebracht hat. Nach den Choraltexten für die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche zur Wendezeit schlossen sich seither Lieder und Balladen an, in denen sich der formbewußte Lyriker der Verlotterung der Inhalte durch verlotterte Formen widersetzt.

Auswahl: Axel Helbig

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ISBN:
EAN:978 3 943708 36 3
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